Die Festliche Konkordie – Im Tanzsaal

Textwerkstatt vom 1. Juni 2021

Das Kleid war mir egal. Mir war es wichtig, die weißen Schuhe zu tragen, die von meiner Hochzeit. Ich habe sie in der letzten Ecke des Schranks gefunden. Sie waren noch in dem Seidenbeutel, in dem ich sie kaufte. Sie hatten die Farbe des Mondes an wolkenlosen Abenden. Ich habe mich sofort in sie verliebt, als ich sie sah, und habe sie über fünfzig Jahre lang behalten. Ich bin froh, dass ich keine Töchter habe, die sie hätten erben müssen. Auf diesen Absätzen fing ich an, mit dir zu gehen, mein lieber Alter.

Bevor ich aufbrach, schaute ich noch ein letztes Mal in den Spiegel. Ich bemalte meine Lippen mit dem weinroten Lippenstift, den mein Mann so sehr mochte. Ich holte mir die Einladung und beschloss, zu Fuß zu gehen. Es war lange her, dass ich in der Festlichen Konkordie – dem Tanzsaal gewesen war.

Erinnerst du dich daran? Wir haben dort unsere goldene Hochzeit gefeiert, genau fünf Monate bevor du von uns gegangen bist. Das ist also die erste Party, auf die ich allein gehe, ohne mich an deinen Arm zu lehnen, ohne über jeden Witz und jede wilde Idee von dir zu lachen.

Welch wunderbares Licht entweicht durch die Fenster der Konkordie! Schon höre ich den Lärm der Musiker und das ungestüme Echo der Gäste, die sich dort vergnügen.

—Darf ich um Ihre Einladung bitten, Madame? -, fragt mich ein junger Mann am Eingangstor.

Du solltest sein Gesicht sehen, mein lieber Alter, er sieht aus wie ein Engel, der vom Himmel herabgekommen ist.

—Hier ist sie, mein Sohn, antworte ich und reiche ihm den Zettel.

—Tisch Nummer 16. Ein ausgezeichneter Ort für eine so elegante Dame —lobt mich der Grünschnabel und weist mich an, nach rechts zu gehen.

Mein Tisch steht direkt vor dem Fenster. Der perfekte Platz zwischen dem hellen Licht der Kronleuchter und dem dunklen Samt des Himmels hinter der Scheibe. Der runde Tisch ist wie für Könige gedeckt, und es sind nur zwei Stühle aufgestellt. Ich nehme den Platz, der den Spiegeln an der Wand am nächsten ist.

Von dort aus sehe ich die Nacht und die Sterne und spüre, dass du tief im Innern noch nicht weg bist, alte Liebe.

Diesmal gieße ich mir selbst ein. Es ist einer der exquisitesten Weine, die ich je probiert habe.

Du wärst von dem Geschmack in Ohnmacht gefallen, mein lieber Alter.

Und bevor ich den nächsten Schluck nehme, sehe ich einen weiteren Gast lächelnd kommen.

Ich glaube nicht, dass ich so schnell betrunken bin. Der Mann, der nach dem zweiten Stuhl greift ist Samuel Coronado persönlich. Plötzlich bin ich wieder sechzehn, und ich spüre den ersten Kuss wie Tau auf meinen Lippen.

—Esther, meine Kameliendame.

—Samuel!

Wie lange ist es her, wie viele Jahre habe ich nicht mehr in seine süßen, honigfarbenen Augen meiner goldenen Träume geschaut?

—Aber… aber du… Du…

—Bin ich tot? Nein, schöne Esther, ich bin nur in einer anderen Zeit.

Noch einmal spüre ich das Streicheln seiner Hand an meinem Arm, und ich kann den Seufzer kaum zurückhalten, der sich gegen meine Verzückung sträubt.

Ich verstehe kaum, was passiert, und dann tauchst du auf, mein lieber Alter.

—Altes Weib! —sagst du zu mir mit dieser Stimme, die klingt wie das lachende Lied eines Baches in der Morgendämmerung.

Ich höre dich. Ich sehe dich, lieber Alter!

Tränen nehmen den Seufzer weg. Sie trüben meine Augen und benetzen meinen Schmerz, der zu Erinnerung geworden ist.

Du weißt nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!

Und plötzlich werde ich still. Schweigen ist das Einzige, was mir bleibt.

Ich sehe sie beide. Und ich fühle mich so absurd und in die Hilflosigkeit geworfen.

Der junge Mann an der Tür nähert sich beflissen. 

—Es ist Zeit für die Ewigkeit, Esther —verkündet er, als wäre es ein Preis. Ich ahne, was auf mich zukommt, meine Zunge ist gelähmt, verborgen in den Tiefen meines Mundes.

—Es ist Zeit für die Wahrheit, Zeit eine Entscheidung zu treffen —fährt er fort.

Die Liebe deines Lebens oder der Mann, der dich trotz aller Widrigkeiten geliebt hat.

Ana-Rosa López-Villegas